Of Cats and Microwaves

publication at JOVIS
von umschichten und Bellastock

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Das Phänomen, dass Menschen ihre Katzen zum Trocknen in die Mikrowelle stecken, ist bezeichnend für eine gesellschaftliche Entwicklung: Zunehmend verlieren wir den Bezug zu unserer Umwelt. Und weisen dabei jede Verantwortung von uns.

Kann Architektur helfen, diesen Bezug wieder herzustellen? Anhand von Projekten der Architekturstudios Umschichten und Bellastock werden urbanistische und künstlerische Praktiken vorgestellt, die Architektur als Medium einsetzen, um neue Relationen zu unserer Umwelt und zu unseren Mitmenschen aufzubauen. Dabei geht es nicht nur um die gebauten Projekte, sondern auch um die Dinge, die sich während der partizipativen Interventionen ereignen. Die Architektur wird dabei zum Werkzeug und die Stadt zum Labor. Dieses Buch ist ein Aufruf, sich an der Gestaltung der eigenen Lebenswelt zu beteiligen und vor allem sich selbst zu wandeln: vom passiven Konsumenten zu einem aktiven Koproduzenten von Stadt.

 

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ÜBER DIESES BUCH

Im Sommer 2013 entstand zusammen mit der Architektengruppe Bellastock Association die Idee, ein Architekturfestival zu entwickeln, bei dem die Praktiken und Themenbereiche der beiden Büros vereint werden sollten: die Fragen nach der Produktion von Raum und Stadt und nach der Faszination von sowie dem Umgang mit Material im weitesten Sinne, der Bezug zum öffentlichen Raum, beziehungsweise die Nutzung von Räumen in der Stadt und der Versuch, die so gewonnenen Erkenntnisse direkt in die pädagogische Arbeit einfließen zu lassen.

Das Festival “Stuttgart Supergreen” war für einen sogenannten Unort in der Stuttgarter Innenstadt konzipiert: unter einer als Parkfläche genutzten Stadtautobahnbrücke an der Schnittstelle zwischen zwei Quartieren. Hier sollte für eine Woche eine Fabrik (in Form einer temporären Stadt mit Schlafunterkünften, Werkstätten, Küchen, sanitären Einrichtungen, Bühnen und anderen sozialen Einrichtungen) entstehen. In dieser Fabrik sollten aus den Bauabfällen der umliegenden, sich zu der Zeit noch im Bau befindenden Shoppingmalls Möbel produziert und in der Stadt verteilt werden.

Dass selbst initiierte Projekte aus finanziellen und rechtlichen Gründen nicht zustande kommen, ist nichts Besonderes und gehört dazu. Dass daraus ein Buch entsteht, wurde in diesem Fall durch bereits akquirierte Gelder ermöglicht und ergab sich aus dem Bedürfnis, nach dem jahrelangen „Machen“ nun aus dem eigenen Tun herauszuzoomen und zu analysieren, welche Aspekte hinter der Architektur, den jeweiligen Ästhetiken und der Präsenz des Gebauten verhandelt werden.

Kurzzeitinterventionen sind meist stark von Aktionismus geprägt: vor allem das „Machen“ steht im Vordergrund. Wir wollen mit diesem Buch zeigen, was sich hinter all den auf Festivals, in Spontaninstallationen oder in partizipativen Aktionen im öffentlichen Raum realisierten Bauwerken noch so alles verbirgt. Zum Teil selbst initiiert, zum Teil von Institutionen aus dem Bereich Kunst und Kultur beauftragt, wird Architektur bei diesen Projekten zum Medium für Interaktionen und soziale Formate. Die Architektur wird zum Werkzeug, die Stadt zum Labor. Durch die Realisierung in einem „menschlichen Maßstab“, also einem Maßstab, in dem jede/r ohne Maschinen bauen kann, bleiben planerische Überlegungen nicht mehr nur fiktiv und losgelöst vom Ort, sondern behandeln diesen in seiner ganzen Komplexität durch Ausprobieren und Konfrontation. Vielleicht lösen die Projekte gar keine Probleme, sondern stellen einfach nur weitere Fragen, sie machen diese jedoch haptisch sichtbar und dadurch für alle diskutierbar.

 

Gestaltung: Levin Stadler
Team: umschichten, Bellastock

Stuttgart/Paris 2016